Warum sind Bücher so, wie sie sind?
Eine gute oder blöde Frage, je nachdem, wie man es sehen will. Die
simple Antwort lautet naheliegend: Weil der Autor das Ding so
geschrieben hat. Das ist richtig und greift zugleich viel zu kurz –
denn das führt gleich zur nächsten Frage und in Folge zu einem
ganzen Wust an Fragen – warum hat der Autor das Buch so
geschrieben? Was hat er sich dabei gedacht? Hat er sich überhaupt
was gedacht? Wo liegt der Sinn des Werkes begraben? Warum gibt es
diese Unschärfen und jene Mängel, warum, warum, warum …
Weil es mich gerade ziemlich reizt,
versuche ich im Folgenden, ein paar dieser Fragen zu beantworten und
nehme als Grundlage dafür meinen letzten Roman – Prinzessin. Der
Roman verkauft sich gut und spaltet die Leserschaft in Fans und
Gegner. Ideale Voraussetzungen, um ein wenig darüber zu plaudern.
Wie es bei mir im Blog häufiger der
Fall ist, werde ich die Gedanken völlig ungeordnet niederschreiben,
so, wie sie mir in den Sinn kommen. Sorry, Ordnungsfetischisten.
Der Blogeintrag ist frei von Spoilern.
Prinzessin ist eine negative Utopie,
ein düsterer Blick in eine Zukunft, die sein könnte. Das Naturell
des Buches ist daher von herbem Charakter, die Geschichte wühlt
geradezu in Schmutz und Ekeln. Ich glaube nicht, dass die Zukunft der
Menschheit nach einem Versuch der Selbstzerstörung in irgendeiner
Form schön sein kann. Im Gegenteil, eine solche Welt bietet die
ideale Voraussetzung zur Freisetzung der schlechtesten Seiten der
Menschen. Es gibt keinen Staat, keine Gesetze, keine Regeln. Im
Rahmen dessen, was die Welt zulässt, kann jeder seinen abgründigsten
Begierden und Bedürfnissen nachgehen, ohne Reue, ohne Einschränkung
und in vielen Fällen sicher auch ohne Konsequenzen fürchten zu
müssen.
Ein kleiner Vorgeschmack davon findet
sich in den Nachrichten, ganz egal ob TV oder Internet. Nachrichten
sind eine Ansammlung von Widerwärtigkeiten, die von Sklaverei über
Kinderficker bis hin zu religiös motivierter Gewalt jeden Ekel
bereit halten, zu dem Menschen fähig und willig sind. Selbst wenn
man die Hälfte der täglichen Dosis Wahnsinn als mediale
Übertreibung weglässt, bleibt eine Menge Irrsinn übrig. Und was
wohl passiert, wenn man dazu noch alle Grenzen der Zivilisation
beseitigt? The Purge, zur x-fachen Potenz.
Prinzessin ist dieser Sichtweise
entsprungen und ist konsequent wenig freundlich.
Das Buch hat sich von selbst
geschrieben. Das heißt, ich bin vor dem Computer gesessen und habe
abgetippt, was mir die Figuren geflüstert haben, was sie tun und
wohin sie gehen. Ich hatte eine Vorstellung davon, wo die Reise
beginnen sollte und wohin sie im zweiten Band führen wird, aber die
Dinge dazwischen sind von selbst gewachsen.
Die Perspektive des Erzählers ist jene
der Protagonisten/Antagonisten – wobei die Grenze zwischen den
Guten und den Bösen eigentlich nicht vorhanden ist. Das heißt, der
Leser erfährt nicht viel mehr, als gerade das, was die Figuren
bewegt und was diese über die Welt wissen. Damit verzichtet das Buch
auf ein paar Dinge.
Zum einen auf eine genaue geographische
Position. Das wissen die Figuren einfach nicht. Es spielt für sie
auch keine Rolle. Die Welt ist im Arsch und wo genau sie durch die
Scheiße waten, das ist bedeutungslos. Es zählt nur, wie tief sie im
Dreck stecken, mal bis zu den Knöcheln, dann bis zu den Hüften. Das
Wetter ist überall mies, die Umwelt global tödlich, fremd,
bösartig, die Mitmenschen sowieso nur mit Vorsicht zu genießen. Auf
welchem Kontinent sie herumtorkeln – scheißegal.
Worauf die Geschichte ebenso verzichtet
ist eine gewisse Korrektheit, was Daten, Fakten, Anatomie, Waffen und
anderen Kram betrifft. Die surreale Welt, das Durcheinander in den
Gehirnen, Fetzen von Erinnerungen an ein voriges Leben, alles
zusammen trägt zu einer gewissen Verzerrung der Wahrnehmung bei.
Keine der Figuren sieht, was
tatsächlich vor sich geht, was wirklich ist, und wir als Leser
erfahren diese Dinge auch nur gefiltert durch dieses eingeschränkte
Weltbild. Damit einher geht natürlich ein Mangel an CSI-artiger
Genauigkeit. Wenn eine Waffe irgendwo durch den Körper gezogen wird,
dann erleben wir, was sich die Protagonisten denken, was passiert,
aber nicht, was in Wirklichkeit geschähe. Weinn Kugeln Löcher in
Körper reißen, dann sehen wir, was die Figuren wahrnehmen, nicht
das, was dabei tatsächlich geschieht.
Wobei wir den Begriff der Wirklichkeit
jetzt mal ganz vorsichtig benutzen und eine Diskussion darüber, wie
wirklich unsere Wirklichkeit wirklich ist, schön unterlassen ;-)
Menschen, die tagtäglich ums Überleben
kämpfen und bei jeder Begegnung darauf gefasst sein müssen, dass
ihr Gegenüber ein Messer in ihre Eingeweide rammen könnte,
zerbrechen sich eher weniger den Kopf darüber, wo sie wie die Waffe
am schnellsten und effektivsten in den Körper rammen. Es geht um Ich
oder Du. Adrenalin und lebensbestimmender Irrsinn überrennen alles
andere. Vor allem Details. Aus dieser Perspektive heraus erzählt das
Buch.
Ich würde nicht eine einzige Figur als
… hüstel … normal nach unseren jetzigen Vorgaben bezeichnen.
Soziopathisch, schlichtweg irre, gewaltbereit, sexbesessen,
krankhaft, unter dem Einfluß von allerlei Dingen stehend und nicht
in der Lage, die Welt klar und nüchtern zu sehen.
Die Reise von She durch diese Welt ist
wie ein surrealer, böser Trip, der die Protagonistin von einem
Extrem ins andere stolpern lässt. Die Leser stolpern mit ihr.
Der Sex in dem Buch ist pornografisch,
überaus dreckig, zum Teil geil, zum Teil abstoßend. Menschlich
eben. Ich lese sowas gerne und darum schreibe ich auch gern darüber.
Nicht immer, auch hier gilt, die Geschichte gibt den Grad der
Obszönität vor, und der Autor lässt diesen zu, soweit es für ihn
machbar ist, seinen Neigungen entgegenkommt, und so weiter, und so
weiter. So hält sich mein Odysseus Roman beim Fickkram ziemlich
zurück, während die Erzählungen in Am Anfang war die Tat und Ferve
der Dreckfresser teilweise sehr, sehr obszön sind.
Sex ist wohl eine der genialsten
Erfindungen der Natur. Eine der schönsten Sachen, die man machen
kann, sei es zu zweit, zu dritt oder allein. Sex gehört zu den
»Jedem Tierchen sein Pläsierchen« Dingen, bei denen sich niemand
niemals für irgendwas genieren soll, ganz egal was der Fetisch, die
Begierde ist. (Die Kinderficker und Vergewaltiger sind hier absolut
und definitv ausgenommen. Dafür kann und darf es keinerlei
Verständis geben. Ich habe eine Frau und zwei Kinder und über
Verständnis für derartige Dinge gibt es nach meinem Dafürhalten
Nichts zu diskutieren.)
Und jetzt die Antwort auf die
ungestellte, aber stets vorhandene Leserfrage, mit der wohl jeder
Autor früher oder später konfrontiert ist: Es gibt wohl nicht viele
Texte, in denen nicht irgendwo ein autobiografischer Zug auftaucht.
In einem Detail, in einer Handlung, vielleicht auch nur in einem
Wunschdenken einer Figur, oder sonstwo. Das ist bei den meisten
Autoren so. Auch bei mir. Was jetzt selbst erlebt ist, aus meinem
Umfeld stammt oder frei erfunden wurde – das mag sich jeder
ausmalen wie er will. :-) Und nein, wir reden hier nicht von der
Gewalt. So. Haha. Pfui, schmutzige Gedanken, die in Hirnen
herumschwappen und raustriefen … :-)
Der Roman beinhaltet ein paar
Anspielungen auf die Popkultur unserer Zeit. Die sind nach meinem
Dafürhalten sehr leicht erkennbar und tatsächlich ohne tiefere
Bedeutung. Ich habe sie schlicht und ergreifend zu meiner eigenen
Unterhaltung eingebaut.
Apropos Unterhaltung, ich selbst lese
gern solch rabiate Stoffe. Vermutlich darum schreibe ich sie auch
gern. Ich finde Bücher, in denen es von Gewalt und Sex wimmelt
geradezu entspannend. Habe ich immer schon, soweit ich mich erinnern
kann. Das hat mit den Märchen der Gebrüder Grimm angefangen und die
haben ja wirklich Hardcore Geschichten erzählt.
Mich setzten blutige, ordinäre,
gewalttätige Bücher und Filme in eine entspannte, fröhliche
Stimmung. Je extremer, je lieber. Meine höchst persönliche
Erklärung dafür ist, dass kein erfundener Schrecken jemals so
grausam und schlimm sein kann wie die Scheiße, die in der
Wirklichkeit passiert. Buch zu, Film aus, Gefahr vorbei. Ganz
einfach. Die alternative Theorie wäre, dass ich eine Spur Soziopath
in mir trage – das wäre natürlich auch möglich. Aber das glaube
ich nicht. Hmmm...
Ob mir das hier zu denken geben sollte
(ein herzliches LOL!!) ?? -> Pressetext
Anspruch und Umfang ergeben sich aus
der Geschichte, die es erzählt. Allgemein gesagt wird im Idealfall
die Geschichte in der dafür geeigneten Sprache erzählt, die sich
von selbst findet. Das mag mal komplex und anspruchsvoll sein wie ein
Roman von Neal Stephenson oder so einfach und gradlinig wie ein, ach,
sagen wir, Romanheft. Passen Sprache und Geschichte zusammen, dann
sitzt die Sache. Es ist ohnehin ein wenig sinnlos, darüber zu
diskutieren. Was für denen einen Leser zutrifft, mag für den
anderen nichtmal im Ansatz stimmen. Was für das eine Buch des Autors
passt, mag bei seinem nächsten Werk falsch sein, weil die dahinter
stehende Absicht eine andere war. Also was soll's. Prinzessin ist ein
kurzweiliger, schneller Roman, der sich mit Gore/Splatter/Sex
beschäftigt und das auch so unumwunden ausdrückt.
Ich schreibe diesen Blogeintrag aus
zwei Gründen. Zum einen macht es mir wirklich Freude, einfach über
das Buch zu reden und vielleicht theoretisch oder praktisch am
Schreiben interessierte Leser mit Glossen über das Verfassen eines
Buches zu unterhalten. Zum anderen – ich will den Roman auch
verkaufen und das Schreiben darüber ist eines der Werbemittel, die
mir zur Verfügung stellen. Womit wir bei einem Thema sind, bei dem
im deutschsprachigen Raum viel zu viel komisch herumgedruckst wird.
Autoren wollen mit ihrer Arbeit Geld
verdienen. Schreiben ist ein Beruf und wie jeder Berufstätige will
auch der Autor für seine Arbeit bezahlt werden. Ich habe noch nie
verstanden, warum es hier so verpönnt scheint, darüber zu
quatschen. Sieht man sich den Rest der Welt an, so gibt es dort diese
Bedenken nicht. Da wird ganz offen und ungeniert darüber gesprochen.
Autoren machen Werbung, sie fordern dazu auf, ihre Werke zu kaufen,
ganz offensiv und ungeniert. Eigentlich logisch, oder? Vielleicht ist
es eine Charaktersache, vielleicht hat es mit gewissen Neid- und
Mißgunsttendenzen in der Bevölkerung zu tun, mit Mißtrauen, was
weiß ich.
Auf alle Fälle bremst mich dieses im
deutschsprachigen Raum übliche Schweigen und ich verzichte auf
konkrete Zahlen. Bis zu einem gewissen Grad ist mir das zu intim,
dazu … sagen wir ruhig, fürchte … ich einige meiner Mitmenschen
und ihren Faible für destrukive Reaktionen doch zu sehr. Aber soviel
schon: Nein, ich kann nicht vom Schreiben leben. So weit bin ich noch
lange nicht und ich gehe mal davon aus, dass das auch nicht so
schnell möglich sein wird. Es gibt nicht viele Autoren, denen dieses
Kunststück gelingt und damit zu rechnen erscheint mir unvernünftig.
Prinzessin wird eine Fortsetzung
erfahren. Ob es eine Trilogie wird hängt davon ab, ob sich der
zweite Band auch vertretbar verkauft oder auch davon, ob die
Geschichte danach tatsächlich noch weitergeht. Auf alle Fälle
möchte ich in der einen oder anderen Form immer wieder in diese Welt
von She zurückkehren. Es gibt eine fertige Geschichte, die 2014
rauskommen wird. Vielleicht gibt es noch die eine oder andere
Erzählung, eine Novelle, vielleicht einen Roman, in der Welt von
She, jedoch ohne sie. Wie auch immer.
Mit dem vorziehen der Fortsetzung
verschiebt sich die Reihenfolge meiner weiteren geplanten Bücher um
jeweils eins nach hinten, bleibt aber grundsätzlich bestehen.
So, und schlußendlich die letzte,
ultimative, unverrückbar tiefsinnige Wahrheit über den Sinn eines
Romans wie Prinzessin – sprich: wozu soll das Buch gut sein:
To have some mind-fucking fun.
Und zum krönenden Finale die unausweichliche
Einladung, das Buch schnell und bequem gleich von hier weg käuflich
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