Heute habe ich eine kurze Schilderung darüber gehört, wie jemand, der vor längerer Zeit - hauptsächlich in den 1980er Jahren - für vielleicht zehn, fünfzehn Jahre in bescheidenem Umfang sowas wie ein bekannter Name war - jemand anderen angefaucht hat, weil der Betroffene nicht wusste, wer er war.
Diese offenbar übellaunige, bissige, misanthrope und verbitterte Person brüstete sich in der kurzen Konfrontation mit einer riesigen Sammlung von Büchern, die sie ihr eigen nennt und ... was wollte ich jetzt sagen? Ach ja, also weil mir dieser kurze Erlebnisbericht nochmal in den Sinn gekommen ist, sind mir dazu folgende, im Grunde simple, Gedanken durch den Kopf gegangen.
Ich habe mein erstes "Erwachsenenbuch" gekauft, da war ich ungefähr, elf, zwölf Jahre alt, was nun schon eine Ewigkeit her ist, Wahnsinn, Jahrzehnte sind vergangen. Fuck, ich werde alt.
Das Buch war ein Roman von Alan Dean Foster - Die denkenden Wälder. Tolles Buch gewesen, gut gealtert, auch heute noch lesbar - wie alle früheren Romane des Homanx-Zyklus. Bei den späteren Bänden, die zum Teil aber chronologisch früher angelegt sind als die frühen Werke, ist das anders, da ... das führt jetzt zu weit und geht am Thema vorbei, sorry.
Das zweite "Erwachsenenbuch" - Jugendbücher* hatte ich davor schon selbständig immer wieder erworben - war dann ebenfalls ein Foster - Alien, der Roman zum Film. Heilige Scheiße, was hab ich mich dabei gefürchtet. Ich glaube, nur die Lektüre vom Friedhof der Kuscheltiere hat mich danach mehr in Angst versetzt.
Kurze Geschichte zur allgemeinen Erheiterung: Ich habe dann - also nach Alan Dean Foster, einen Stapel Science Fiction Taschenbücher erworben, die aus dem Moewig Verlag stammten, ein blaues Rundumcover mit einem oft wenig zum Inhalt passenden Titelbild zur Schau trugen und mit den Worten "Playboy Science Fiction" geschmückt waren.
In meiner Naivität - frühe 1980er Jahre, ich ging noch zur Schule - dachte ich echt, das wären alles utopische Romane mit viel Sex drinnen - was wusste ich in dem Alter, wer Philip K. Dick war? (Die Bücher waren optisch eher wenig gefällig, aber die Titelauswahl war ausgezeichnet, eine tolle Reihe oft anspruchsvoller Romane.)
Dann borgte mir ein Schulfreund die Josefine Mutzenbacher und was soll ich sagen... das war Aufklärungslektüre der allerfeinsten Sorte! (Auch der Simmel, den ich zu der Zeit bei meinen Eltern aus dem Regal geschnappt hatte und in dem seitenweise Schilderungen von Brustwarzen vorkamen, der hat mich so einiges gelehrt - herrje, war das aufregend) Und Philip K. Dick liebe ich heute. Und wenn Romane viel Sex beinhalten, freue ich mich auch noch darüber.
So, zurück zum Thema. Alan Dean Foster war, da bin ich mir sicher, mein Einstieg in das Sammeln von Büchern. Science Fiction, Fantasy, Horror. Gelesen und gehortet. Ich habe sehr schnell sehr viele Bücher gehabt und in dem Zimmer, das ich mit meinem Bruder geteilt habe (der konnte nie was mit Büchern anfangen, was unvorstellbar war für mich), war bald kein Platz mehr, so sind die Bücher in Stapeln in Kästen im Abstellraum gelandet, gleich beim Werkzeug. In bestem Zustand, gelesen, gemocht, fein säuberlich in Stapeln wegsortiert.
Wie wir alle bin ich älter geworden, ausgezogen, habe ein durchschnittlich langweiliges Leben voll der üblichen Irrungen und Wirrungen geführt, das mir so nebenbei etliche Umzüge mehr beschert hat, als mir lieb gewesen wären. Die ersten paar Mal war das Übersiedeln kein Problem, aber im Laufe der Zeit wurde es immer mühsamer, weil die Zahl der Bücherkartons gewachsen ist.
Kurzer Einwurf: Beim letzten Umzug vor rund fünf Jahren hat mich einer der Möbelpacker, nachdem sie rund hundertfünfzig Bücherkisten in die Wohnung geschleppt haben, keine Kartons, sondern die Transportkisten, wie sie im Buchhandel verwendet werden, gefragt, ob ich denn verrückt sei? Gute Frage.
Weiter: Der Mühen wegen habe ich begonnen, mich immer wieder von Exemplaren zu trennen. Durchschnittliche Wohnung, ein halbes Dutzend Billy Regale in Doppelreihen randvoll. Größere Wohnung, mehr Bücher, eigenes Haus - sehr viel mehr Bücher, zurück in eine Wohnung und wieder weniger Bücher, kleinere Wohnung, noch mehr Bücher weg, größere Wohnung, etwas mehr Bücher, Vater geworden, viel weniger Bücher.
Von den siebzehn Billy-Regalen, die ich derzeit in Beschlag genommen habe, sind fünfzehn Regale mit Büchern gefüllt - doppelreihig, die Häfte der Regale mit Aufsatz und Zusatzbrett.
Wenn ich nachgrüble - ich habe immer die Stückanzahl gezählt, von der ich mich getrennt habe - sind alleine bei den letzten beiden Übersiedlungen rund viertausend (4000) Science Fiction, Fantasy und Horrorbücher aus meinen Regalen verschwunden. Für das, was ich noch habe, ist eine Zählung ausständig. Und eine vernüftige Schlichtung.
In den letzten Jahren habe ich etliche private Sammlungen begutachten können und öfter gehört, wie Leute voller Stolz von ihren Massen an Büchern erzählen, die sie zusammengetragen haben. Wenn ich dann höre, wie sie von zweitausend, dreitausend Stück reden, kann ich nur lächeln.
Wenn ich nachrechne, was ich bisher in meinem Lebens an Büchern abgestoßen habe, dann würde ich heute eine Bibliothek von geschätzten fünfzehntausend Titeln mein eigen nennen - konservativ geschätzt. Natürlich gibt es beträchtlich größere Sammlungen, pah, keine Frage, exquisitere Sammlungen, selbstredend. Nur geht mir diese Angeberei auf die Nerven, dieses Posaunen, wie wertvoll doch das ist, was man an Büchern daheim stehen hat.
Pah, Quatsch. Wertvoll für den Sammler allein, für sonst niemanden. Ich habe immer noch etliche teure, signierte, limitierte, nummerierte Bücher daheim rumstehen, die schon lange nicht mehr zu kaufen sind, und wenn man für solche Titel mal auf eBay oder Abebooks nachschaut, ha ha ha. Wertvoll, lächerlich! Die Realität sieht anders aus.
Wie vorhin gesagt, habe ich etliche Sammlungen gesehen, über einige etwas gehört und von all diesen Privatbibliotheken habe ich nur zwei Sammlungen als bemerkenswert angesehen (na gut, es waren drei, aber die dritte zählt nicht, die hat mir nur gefallen, weil sie sich über weite Stecken mit meiner Sammlung gedeckt hatte):
Die eine Sammlung gehört(e) einem nicht mehr ganz jungen Herren, den wir kurz und bündig HM nennen. Bestens gepflegte Bücher in erstklassigem Zustand, obwohl einige schon Jahrzehnte auf dem Buckel hatten (wir reden hier von Taschenbüchern, Science Fiction, Fantasy, Horror; von englischen Magazinen, die teils noch aus den 1950er Jahren stammen). Diese Sammlung war höchst fokussiert auf einen Schwerpunkt - die Science Fiction Kurzgeschichte - und das hat sie so bemerkenswert gemacht. Eine konsequente Sammlung, genauso konsequent und pedant geordnet. Man sollte gar nicht glauben, in welchen Mengen Kurzgeschichten erschienen sind. Und wie wenig die Kurzgeschichte im deutschsprachigen Raum heute geschätzt wird. Arg.
Die andere Sammlung gehört(e), nennen wir ihn AV. Diese Sammlung zeichnet sich durch eine enorme Breite aus, die weit über das Genre hinausgeht und die in ihrer Breite wiederum konsequent und in sich logisch ist. Und dieser Sammler hat wirklich alte Bücher und Raritäten und da bleibt mir immer wieder der Mund offen, wenn ich sehe, was der Mann hat - natürlich ist das Ganze materiell in dieser unserer doch eher kulturlosen Zeit nicht mehr viel wert, aber Mann! Jeder, der alte in Leder gebunden Bücher mit Goldschnitt und Prägung zu schätzen weiß, oder einen Sinn für die "Groschenromane" des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts hat, sehr, sehr schön. Eher chaotisch und nur rudimentär geordnet, das alles.
Was zeichnet eine gute Sammlung eigentlich aus - wobei "gut" ein extrem relativer Begriff ist. Aber ich sehe das so: Bei einer guten Sammlung lernt man was über die gesammelte Materie. Bei Büchern wäre das zum Beispiel - Trends und Zeitgeist in Inhalt und Gestaltung. Sieht man sich Sammlungen an, die über Jahrzehnte entstanden sind, dann lässt sich sowas durchaus erkennen. Ein überaus markantes Beispiel dafür ist für mich die Gestaltung der Heyne Science Fiction Taschenbücher, an deren Covern, Papierwahl, Innenillustrationen etc. oft genug die Entstehungszeit erkennbar ist. Jahrzehnt für Jahrzehnt.
Was diese beiden vorhin erwähnten Sammler gemeinsam haben - keiner ist so großkotzig, damit zu prahlen, wie viele Bücher sie haben/hatten - zumindest habe ich das nie erlebt. Und das zeichnet sie mich aus: Sie gehen/gingen ihrer Leidenschaft nach und haben sich mit dem beschäftigt, was sie fasziniert und interessiert hat, ohne der Welt kundtun zu müssen, wie toll sie doch sind und wie belesen und ach, was für eine Arbeit das doch ist, diese Sammlung über viele Jahre hinweg zusammenzutragen.
Blubber. Wer das Glück hatte, immer genügend Platz und Geld zur Verfügung zu haben, der hat es nicht schwer gehabt, seine Sammlung zu erweitern. Mit den nötigen Ressourcen lässt sich leicht sammeln. Das Getue ist pure Angeberei - sowas wie die Männer mit Schmerbauch und Glatze, die knallrote Sportcabrios mit fünfhundert Pferdestärken fahren. *rofl*
Sammeln ist eine Selbstbefriedigung, eine Triebbefriedigung, eine höchst egoistische Angelegenheit wie onanieren und masturbieren. Darüber redet man ja auch nicht andauernd - äh, na gut, also, wenn man mal die zahllosen einschlägigen Tumblr-Blogs hier ausklammert, dann stimmt meine Aussage, hüstel ;-)
Ich glaube, das hier ist ein hübscher kleiner Rant geworden, den ein Spinner ausgelöst hat, der seine eigene Sammlung von Büchern erwähnen musste, um sich wichtig zu machen. Es ist im Grunde eine völlig uninteressant, banale Begegnung, die ein Bekannter mit einem uninteressanten Menschen hatte - aber wie der überstrapazierte Schmetterling, dessen Flügelschlag in Europa in Japan ... bla bla bla, so haben die Äußerungen dieses Kerls bei mir den Wunsch ausgelöst, das hier niederzuschreiben.
Ich habe diesen Typen zweimal gesehen und beobachtet, aber nie mit ihm gesprochen, weil er es nichtmal für wert befunden hat, auch nur seine Augen in meine Richtung zu drehen, obwohl wir stundenlang mit zahlreichen anderen Leuten im selben Raum waren. Berechtigte Frage: Warum bin ich nicht auf diesen Menschen zugegangen? 1) Mir fällt es sehr schwer, auf mir unbekannte Menschen zuzugehen. 2) Ich meide Leute, die eine spürbar miese Aura verbreiten. 3) Ich würde mich selbst eher als misanthrop bezeichnen, meine Frau nennt mich gelegentlich "mein kleiner Autist" (dabei bin ich größer als sie, mhm), also nein, ich war nicht darauf aus, jemanden, der mich abschreckt, anzusprechen. Was soll's. Und meinstens sind mir solche Miesmuscheln ohnehin scheißegal, nur hin und wieder geht mir eine unter die Haut.
Es gibt auch noch eine zweite Konfrontation, die jemand anderer, den ich sehr schätze und den als Freund sehen würde, mit diesem Menschen erlebt hat und die sich wunderbar ins Bild einfügt und die negative Ladung dieses Menschen bestätigt. Scheißegal, aber wie der Schmetterling es will ...
Heute bedauere ich es, all die Bücher, von denen ich mich getrennt habe, nicht mehr in meinem Besitz zu wissen. Sie waren sowohl materiell wie zum Teil sicher auch inhaltlich gesehen nicht wertvoll, obwohl als Schüler mit bescheidenem Taschengeld mein Gesamtvermögen in ihren Erwerb geflossen ist.
Für mich waren Bücher mein ganzes Privat- und Berufsleben stets von elementarer Bedeutung und ich finde es jetzt und heute schade, verschiedene Bücher wie die sechs Bände der "roten Sonja" - im Grunde haarsträubend banale Fantasyromane, nicht mehr im Regal zu haben.
All die Verflossenen waren mir viele Jahre wertvoll, dann habe ich sie weggetan, weil ich sie für überflüssig erachtet habe und jetzt finde ich sie wieder wertvoll. Oh Zeiten, od Geisteshaltung.
Aber ich bin deswegen weder sauer noch vergrämt oder verbittert - nein. All das ansammeln und abstoßen von Büchern hat zum jeweiligen Zeitpunkt seine Richtigkeit gehabt und darüber zu jammern oder damit zu prahlen, was ich noch habe oder hatte, das erscheint mir dämlich.
Hm, habe ich das nicht gerade getan? Nein, ich denke nicht, weil ich weiß, was meine Sammlung für enorme Lücken hat und weil diese Bücher, zumindest so lange sie bei mir daheim sind, einfach nur einen normalen Bestandteil meines Lebens darstellen, aber nichts, worüber ich großkotzen muss.
Wollte ich wirklich prahlen, dann würde ich damit angeben, dass meine Tocher mit noch nichtmal vier Jahren mehr Bücher hat und diese eifrig auf die dafür vorgesehene Weise zu nutzen weiß (Bilder anschauen, Zusammenhänge erkennen, sich vorlesen lassen), als viele Erwachsene ihr ganzes Leben lang gelesen haben. Mal sehen, wie das beim zweiten Kind wird.
In diesem Sinne erkläre ich die Tirade hiermit beendet. Vielen Dank :-)
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