Hier sitze ich nun, um von mir zu erzählen. Ich bin an einem Punkt
angelangt, an dem es mir nicht mehr schwer fällt zuzugeben, dass ich
Angst habe. Ich kann nicht sagen, was noch geschehen wird. Ich kann
nur sagen, was mir bisher widerfahren ist, und das ist in letzter
Zeit eher unerfreulich gewesen.
Und bevor die Frage aufkommt, warum ich nicht einfach zur Vordertür
des Hauses hinausmarschiere und diesen grauenhaften Ort hinter mir
lasse, will ich die Antwort vorwegnehmen: Es geht einfach nicht. Ich
trete durch die Tür und lande im nächsten Augenblick wieder im
Haus.
Ich kann nicht sagen, ob es genau das Haus ist, in dem alles seinen
Anfang genommen hat, weil ich mir nach all den Wirrnissen nicht mehr
sicher sein kann. Und nein, die Fenster zu öffnen und nach draußen
zu springen ist unmöglich. Ich habe es probiert. Es gelingt mir
nicht, selbst wenn ich versuche, mit roher Gewalt an mein Ziel zu
gelangen. Ich habe keine Chance.
Vielleicht bin ich inzwischen weit von meiner ursprünglichen Welt
entfernt. Möglicherweise auch nicht. Ich kenne mich schlicht und
ergreifend zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr aus. Es fällt mir
schwer zu erkennen, was zu meiner originalen Realität gehört und
was Bestandteil einer alternativen Realität ist.
Sollte mir jemand weismachen, dass ein vielköpfiger Gott mit langen
Tentakelarmen und einer Vorliebe für nackte Frauen Bestandteil jener
Realität ist, aus der ich ursprünglich stamme, dann muss ich das
glauben.
Ich bin bereit, so ziemlich alles zu glauben, weil ich so viele Dinge
gesehen habe, dass ich einfach nicht weiß, was wahr ist und was
nicht. Real, surreal, irreal – all das spielt für mich keine
Rolle. Ich kann diese Zustände nicht unterscheiden. Diese
Unsicherheit wirkt sich auf meine Stimmung aus, ich bin mit der Zeit
schwerer von Gemüt geworden.
Das Fernsehprogramm? Das ist ein lächerlicher Gedanke. Seit wann
gibt es im Fernsehen irgendetwas, das Sinn macht oder mit der
Realität zu tun hat? Nicht einmal den Nachrichten kann man glauben.
Wer auch immer meine Notizen finden und sich durch das wilde
Durcheinander wühlen wird, möge mir verzeihen. Aber meine Situation
ist so, dass ich alles notiere, was mir im Augenblick in den Sinn
kommt. Ganz egal, ob es in einer chronologischen Reihenfolge der
Geschehnisse stattgefunden hat oder eine Wahnvorstellung meinerseits
sein könnte, es kümmert mich nicht. Wann immer mir etwas einfällt,
werde ich es niederschreiben, ohne Rücksicht auf ... die Realität.
Wie pathetisch das klingt, schrecklich.
Im unwahrscheinlichen Fall, dass ich eines Tages selbst dazu kommen
werde, Ordnung in das folgende Chaos zu bringen, wird es geschehen.
Sonst bleibt es den Entdeckern überlassen, mit den Aufzeichnungen
nach Gutdünken zu verfahren.
Meine Realität ist mit einem sich in Auflösung befindlichen
Bindfaden an meinem linken kleinen Finger festgemacht. Wenn dieser
Faden reißt, bin ich wahrscheinlich hoffnungslos dem Wahnsinn
verfallen. Und da es so aussieht, als könne das jederzeit geschehen,
sollte ich wohl mit den Aufzeichnungen beginnen, nicht wahr?
Logisch wäre es natürlich, am Anfang zu beginnen. Nun denn, so will
ich logisch sein, so gut es mir möglich ist. Danach ...
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