Einen großen Teil des ersten
Jahrzehnts der 2000er Jahre habe ich in einer Buchhandlung verbracht
und mich dort – neben ein paar anderen Abteilungen –
hauptsächlich um Horror, Science Fiction und Fantasy (und Erotik)
gekümmert (nun, ich habe auch viele Jahre davor im Buchhandel
verbracht, rund das Viertel eines Jahrhunderts, ach du Scheiße).
Ich habe diese Genres schon immer
geliebt und in jeder Buchhandlung, in der ich gearbeitet habe, dort
entsprechende Abteilungen eingerichtet und aufgebaut.
Es war stets faszinierend zu
beobachten, was funktioniert hat und was nicht. Natürlich auch in
der allgemeinen Literatur, auch wenn man von Dingen wie dem
alljährlichen Coelho Krätze bekommen hat. Aber wir reden hier von
Horror, Phantastik allgemein.
Kurzes Beispiel dessen, was für mich
nie so richtig funktioniert hat. Der Blitz Verlag. War allgemein
bekannt, hatte auch ein gutes Programm, sehr viele Sammlerausgaben im
Angebot, diverse Reihen, hat sich also richtig Mühe gemacht. Aber so
wirklich hat sich das Programm nie durchgesetzt. Wann immer ich
konnte, habe ich eine deutlich sichtbare Auswahl des Programms
geführt, durfte gelegentlich sogar Schaufenster mit meinem
Lieblingsstoff vollräumen. Aber Blitz hat nie so wirklich
befriedigt. Viel zu viele Bücher sind abgewertet und verramscht
worden, weil unverkäuflich und nicht mehr zu remittieren.
Vereinzelte Titel sind ganz gut gelaufen, Autoren, die in der Edition
Metzengerstein rauskamen.
Diese Edition – das kann man bei den
meisten Fans von Horrorliteratur voraussetzen – wurde von einem
gewissen Frank Festa betreut. Wer? Ja genau, der Typ vom FestaVerlag. Faszinierend war es auf jeden Fall, das Programm des Festa
Verlags auf Lager zu haben – es funktionierte nämlich prächtig
und bescherte mir eine Anzahl von Kunden, die ich eigentlich in
dieser Treue nur von der erotischen Literatur her kannte – ha ha ha
– Stammkunden und Fans des Programms.
Heyne funktionierte soo gut wie immer (ich klammere da mal die Periode aus, in der sich der Verlag im Besitz von Ullstein befand), Bastei war
sehr titelabhängig und hatte es eigentlich nie geschafft, die Breite
von z.B. Heyne zu erlangen. Blitz war ok, aber nicht weltbewegend, aber
Festa … der Verlag hat eingeschlagen. Der erste Laymon, ein Fritz Leiber, Gustav
Meyrink, etc., Bände aus »Lovecrafts Bibliothek des Schreckens«.
Festa hat den Sammlerinstinkt geweckt – und das nicht nur bei mir.
Diese Bücher haben schnell
wiederkehrende Leser gefunden, die darauf aus waren, Bücher dieses
Verlags zu erwerben. Ich erinnere mich an einen ganz bestimmten
Kunden, der wirklich beinahe wöchentlich kam, um zu schauen, sich
über diverse Bücher zu unterhalten, auf Titel von Ewers und andere
Klassiker zu warten und sich dann zu freuen, wenn sie im Regal
standen und er eins nehmen konnte. Er war ein sehr netter, ruhiger
Mann mit einer grauenhaften Vokuhila Frisur, gefönt, gefärbt, aber
einem großen Genrewissen. Er ist nach einigen Jahren schwer krank
geworden und gestorben.
Festa hat im Vergleich zu so manch
anderen Verlagen tadellos funktioniert und ich hatte stets einen
beträchtlichen Teil des Programms auf Lager. Zumindest in Österreich
waren der Vertrieb und der Vertreter des Verlages zwar unter jeder
Kanone und eher auf der ahnungslosen Seite, aber das hat zumindest
für mich keine Rolle gespielt, weil ich ja wusste, was ich brauchte.
Festa hatte von Anfang an treue Leser,
die bewusst nach dem Programm suchten. Die Hardcover Bibliothek war
zwar nicht der Renner, aber sie ging solide (Andreas Gruber
machte sich ganz gut, aber das war vielleicht lokal bedingt, er
wohnt in der Nähe von Wien), von den Taschenbüchern und Paperbacks
braucht man gar nicht reden, das waren zum Teil Selbstläufer –
natürlich auch mit den üblichen Flops, wie sie jeder Verlag im
Programm hat.
Festa hat sich, die eine Panne hier,
die andere Katastrophe da, ziemlich gemausert und wuchs von einem
kleinen Verlag, der rasch ein Stammpublikum gewann, zu einer
Institution heran. Man mag das Programm mögen – so wie ich (bin gerade
mit John Everson: Ligeia fertiggeworden, Rezension in ein paar
Tagen auf meiner Website – nur kurz: saugeiles Buch!
Buchstäblich!), oder man macht einen Bogen drumherum.
Aber man muss dem Verleger auf alle
Fälle zugestehen, ein außergewöhnliches Gespür für Titel zu
haben und über begnadetes Wissen bezüglich dieser Literatursparte
zu verfügen – ein Fan und ein Irrer zu sein, anders geht das wohl
nicht. Wenn ich irgendwas in den Buchhandlungen beobachten konnte,
dann folgendes: Leser, die auch nur einen Hauch mehr Ahnung von
Horrorliteratur hatten, spürten sehr schnell, was gut war und wo ein
Verlag auf einen Hit aufsprang, um abzucashen. Und wenn man Festa
eines nie vorwerfen konnte, dann ein Verlag zu sein, der Trends
nachjagte, um Kohle zu machen. Es ist sicherlich der mühsamere und
risikoreichere Weg, aber wenn es funktioniert, dann zahlt es sich aus
und dann wird man von Seiten der Leser belohnt.
Und von den Autoren, die uns Frank
Festa beschert hat und die keiner von uns mehr missen will, wollen
wir gleich gar nicht anfangen – Bryan Smith, Edward Lee,
Brett McBean, … und so weiter. Von der Entdeckung Richard
Laymons brauchen wir gar nicht erst anfangen. Und die Pflege von
Klassikern wie Clark Asthon Smith oder Robert E. Howard
kann gar nicht genug geschätzt werden.
Dieses Kunststück, das Festa zustande
brachte, gelang in kleinerem Rahmen einem winzigen österreichischen
Verlag ebenfalls, der in der Nähe von Graz beheimatet war: Eingedeutscht hieß der Verlag "Anderwelt". Dessen Verleger, Michael Krug, Übersetzer von
Genreliteratur, Thrillern und anderem Suchtstoff, machte sich daran,
seine eigenen Vorlieben in Verlagsform zu bringen. Michael Krug –
ihn kenne ich im Gegensatz zu Frank Festa persönlich und schätze
ihn als sehr ruhigen, höflichen und sehr ehrlichen Menschen mit
Handschlagqualität – hatte und hat ebenfalls ein erstaunliches
Gespür für Autoren. Frank Festa kenne ich nur über schriftliche
Konversation – auch sehr direkt, sehr höflich, und ein Freak
(Himmel, der Mann hat vermutlich mehr über Phantastik vergessen, als
wir Normalsterblichen je wissen werden – beneidenswert).
Als ich die ersten Bücher seines
Verlags neben Heyne und Festa in meine Horrorabteilung quetschte,
vollkommen ahnungslos, was zum Teufel das für ein Verlag war, den
mir die rührige Vertreterin da vorgestellt hatte (die gute Frau war
viel besser drauf als der sehr freundliche, aber in Sachen Genre
vollkommen unbeleckte Herr der Auslieferung des Festa Verlags).
"Anderwelt" überraschte mich, gleich zu
Beginn mit einem echten Bestseller – unmöglich dick, Hardcover,
damit etwas teurer, aber … Brian Keene! Volltreffer des
winzigen Verlags. Das Reich der Siqqusim verkaufte sich wie
Sau – für einen Hardcover Horroroman. Mehr als nur einmal habe ich
leicht variiert den Sager »geil, Brian Keene auf deutsch«
gehört.
Ab dem Moment war auch "Anderwelt" ein
Verlag, der seine Stammkunden hatte – in kleinerem Ausmaß, weil
ein kleinerer Verlag, aber in den Relationen genauso beliebt. Auch
Scott Sigler, der auch in unseren Breitengraden eine
Fangemeinde hat, eine Entdeckung von Michael Krug. Nehmen wir Ronald
Malfi dazu, Jeff Strand und keinesfalls zu vergessen David
Moody.
Im Unterschied zu Festa, der sich am
Versuch der Science Fiction überhob – trotzt einer hervorragenden
Auswahl an Autoren wie Dan Simmons, Nancy Kress, John
Barnes und anderen, war Michael Krug der Fantasy zugeneigt und
bot neben ein paar alteingesessenen Autoren auch Leuten wie Robin
Gates und Stephan Bellem eine Publikationsmöglichkeit.
Michael Krug hatte wie Frank Festa auch
seine dunkle Stunde – er ging eine Kooperation mit einem ehemaligen
größeren österr. Verlag ein. Diese Kooperation beschädigte durch
Verwässerung des Programms letztendlich den Namen, machte ihn
unbenutzbar und killte den Verlag.
Michael Krug kommt allerdings zurück.
Mit neuem Namen – schlicht und ergreifen mkrug verlag – mit
kleinerem Programm und einigen Gustostücken, die er behalten hat,
dazu neue Leckerbissen. Ende Juni wird eine neue Website stehen und
ein Programm für den kommenden Herbst – und vielleicht schon für
das nächste Frühjahr präsentieren. Print und eBook.
Was haben jetzt Frank Festa und Michael
Krug gemeinsam? Beide sind Genrefans. Beide sind innovative Verleger,
die nach neuen Autoren suchen und verlegen, was sie persönlich gerne
lesen. Beide haben für einige Autoren, die wir als
selbstverständlich ansehen, den Weg geebnet. Beide haben Autoren an
große Verlage verloren. Laymon wurde zum größten Teil von Heyne
abgegriffen, Keene und Sigler wurden von Heyne aufgekauft, auch Malfi
ging zuerst an Heyne. Keene wurde jetzt wiederum von Festa
aufgenommen, was irgendwie nach Ironie riecht.
Beide Verleger haben eine bewegte
Geschichte hinter sich und beide können sich an die Fahne heften,
Entdecker und Pioniere zu sein. Festa und Krug haben Autoren für die
deutschsprachige Leserschaft entdeckt, die für uns heute zum
Standard gehören – diesen Riecher und den Mut, das Risiko
einzugehen, das kann ihnen niemand mehr nehmen.
Bla bla, kann ich jetzt hören. Und was
ist mit anderen Verlagen? Was ist mit Atlantis? Was ist vor allem mit
Michael Preissl (Freak und Fan und netter Kerl) und Voodoo Press? Mit Peter Hiess (totaler Freak und sympathischer Wahnsinniger) und Evolver Books?
Ganz einfach: Festa und "Anderwelt" habe
ich als Sortimentsleiter als bemerkenswert empfunden, mit den Verlagen hatte als Buchhändler mehr zu tun. Mit Blitz zum
Beispiel weniger, andere kleinere Verlage haben – leider – so gut
wie keine Rolle gespielt. Voodoo Press und Evolver Books sind in
Erscheinung getreten, als ich meinen Abgang aus dem Buchhandel
gemacht habe, und darum finden sie hier auch nur als Randnotizen
Erwähnung. Meine Meinung zu den Büchern dieser Verlage kann jeder auf meiner
Website nachlesen, wenn er sich die Rezensionen ansieht.
Das ist jetzt mir persönlich sehr wichtig: Trotz meiner persönlichen Wertschätzung für Michael
Krug und meiner Achtung vor der Instituion Frank Festa habe ich nie
eine Rezension schöngefärbt, um jemandem einen Gefallen zu
erweisen.
So eine Scheiße hat keiner von uns
dreien nötig und wenn ich irgendeine Lehre aus meinen Beobachtungen
ziehen wollte, dann diese: Im Endeffekt lassen sich die wirklich an
dem Genre interessierten Leser ohnehin nicht bescheißen. Nenne es,
wie du willst, Instinkt, Gespür, Riecher, egal.
Die Leute spüren, ob jemand ehrlich
daherkommt oder ihnen Dreck andrehen will. Und weder Frank Festa noch
Michael Krug können, wollen und dürfen es sich erlauben, den
Grundstock an Lesern, die Hardcore Basis zu verarschen. Dazu sind
außerdem beide selbst viel zu sehr Fan und Profi. Und ich? Ich bin
Fan. Ich lese den Scheiß. Ich schreibe den Scheiß. Ich liebe den
Scheiß und darum rezensiere ich den Scheiß, freue mich daran,
meckere darüber. Lebenslange Leidenschaft.
Nun gut, so viel zu meinen lückenhaften, persönlichen Erinnerungen. Zum Abschluß die
allergrößte, wichtigste Frage: Warum zum Teufel habe ich diesen
elendig langen Artikel gerade geschrieben? Ehrliche Antwort: mir war
gerade danach. Stimmungssache.