Ich verzichte darauf, eine
Inhaltsangabe zu zitieren und gehe davon aus, dass die halbe Welt
ohnehin weiß, worum es bei Game of Thrones geht. Was die andere
Hälfte der Welt betrifft – lasst euch darauf ein, ihr habt keine
Idee, was für ein grandioses Werk ihr da versäumt :-)
Bis zu diesem Monat habe ich darauf
verzichtet die Romane zu lesen, obwohl sie schon seit vielen, vielen
Jahren bei mir herumstehen. Als Hardcover, wie sie bei Bantam ab 1996 erschienen sind. Die Titelbilder der ersten drei Ausgaben stellen irgendwie eine Art von milden Spoilern dar. Sie verraten zwar nichts konkretes zum Inhalt, aber sie lassen einen Schwerpunkt erkennen.
Das Lesen wollte ich erst in Angriff nehmen, wenn George R. R.
Martin (Website, Blog) – dessen frühere Werke wie z.B. Fiebertraum ich übrigens auch empfehlen kann –
mit dem Monster von Zyklus fertig ist. Ich wollte auch darauf verzichten, mir die Serie anzuschauen, die
wollte ich erst dann sehen, nachdem ich mit den Büchern fertig war.
Aber es kam anders: Ich musste aus
reiner Notwehr umschwenken. Ich lese die Bücher und schaue mir die
Serie an – gleichzeitig. Zwei Episoden pro Woche, täglich wenigstens ein paar Seiten. Es war kaum mehr möglich Spoiler zu
vermeiden. Überall gab es Inhaltsangaben zu den Episoden,
Intgerviews mit Martin und Darstellern, Kritiken zu den Büchern,
Entsetzten zu diesem und jenem – ein Albtraum, all das
auszublenden. Also Flucht nach vorn und beides in Angriff genommen.
Aber ich lese die englischen Ausgaben
und schaue mir die Serie in Englisch an. Auf das Erlebnis der
umstrittenen deutschen Neuübersetzung mit ihrer Wut der
Eindeutschung verzichte ich. Es gab eine alte Übersetzung der ersten
paar (deutschen) Bände, die war diesbezüglich verträglicher.
Der erste Originalroman besteht in der
deutschen Übersetzug aus den ersten beiden Büchern – die
Neuausgaben sehen recht hübsch aus, immerhin – und umfasst
ziemlich genau die erste Staffel der großartigen Serie.
Martins Englisch ist durchwegs elegant
und gehoben, was diesen üppigen, vom Format her übergroßen
Ziegelstein – das heißt, auf einer Seite findet sich bedeutend
mehr Text als bei einem herkömmlichen Hardcover üblich – nicht
unbedingt schnell und einfach lesbar macht – aber ein irrsinniges
Vergnügen darstellt. Die Titelanzahl, die ich diesen Monat geschafft habe, ist so gering wie seit langem nicht mehr - was den Umfang angeht, da hat sich ganz und gar kein Minus aufgetan.
Die Dialoge sind gewitzt, die
verwendete Sprache mischt unbekümmert, aber stets passend eine
moderne und eine veraltete Begrifflichkeit und entwickelt so einen Sog, aus
dem man nur schwer wieder rauskommt. Es ist nahezu enttäuschend,
wenn man das Buch zuschlagen muss, um sich wieder der Realität zu
stellen.
Faszinierend, wenn man Serie und Roman
unmittelbar miteinander vergleicht, ist der Unterschied, welches Medium auf
welche Details die Schwerpunkte legt. So sind Dinge, die in den
Episoden eine enorme Dramatik entwickeln, im Buch beinahe beiläufig
geschildert und umgekehrt.
Auch der Detailreichtum des Romans ist
beeindruckend und wer nur die Serie kennt, beginnt erst über den
Roman verschiedene Vorgänge klarer zu sehen beziehungsweise bekommt
durch Schilderungen von Gedanken und Handlungen einzelner Personen
erst so richtig Klarheit, warum was passiert.
Uff, ist das mühsam, irgendwas zu
schildern, ohne für jene Leser, die dieses herausragende Vergnügen
der Lektüre noch vor sich haben, einen Spoiler einzubauen. Auch wer
die Serie schon gesehen hat, egal, unbedingt die Romane lesen!
Die erste Staffel hält sich noch sehr
genau an das Buch, im zweiten Roman, den ich gerade lese, weicht die
Serie schon erkennbar ab und muss des enormen Umfangs wegen auf immer
mehr Details verzichten. Die Serie wird sich dadurch zwangsläufig
immer weiter vom Buch fortentwickeln. Das ist – und das meine ich
wirklich so – genial. Auf diese Art bekommt man mehr oder weniger
zwei Geschichten aus parallelen Welten präsentiert.
A Game of Thrones zu lesen
beansprucht ungefähr die Zeit, die je nach Umfang zwischen zwei und
vier durchschnittliche Genrebücher in Beschlag nehmen. A Game of
Thrones ist aber auch um einige große Stufen befriedigender und
degradiert so manches Fantasybuch zu einem Witz, was die Komplexität
von Geschichte und Figuren betrifft.
Um mich zu wiederholen: geniale
Lektüre. Spannend, vollgestopft mit Details, blutig, grob, komplex,
dicht. Auch wenn er zwischendurch mal in einer Sackgasse gelandet war und Änderungen durchführen musste, wenn es ewig bis zum bisher letzten Band, Nummer fünf, gedauert hat, das spielt keine Rolle. Die Serie ist ein Meisterwerk und der Geist, der diesen Wahnsinn erdacht hat, genial.
Hut ab, GRRM!