Samstag, 29. September 2012

Alleinsein, Schreiben, Selbsterkenntnis

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie …. sich selbst. Kaum jemand wird dir widersprechen, wenn du sagst, es gibt nicht viel wichtigeres als zu wissen, wer du bist, was du willst, wo deine Stärken und Schwächen liegen und wie lebenswichtig es ist, mit sich selbst im Reinen zu sein.

Wie man soweit kommt, ist eine ganz andere Frage und da gibt es so viele Antworten wie Menschen, obwohl man auch hier breite Zustimmung finden wird bei der Behauptung, Alleinsein ist einer der besten Wege. Eine Behauptung der ich aus persönlicher Erfahrung und aus den Beobachtungen in meiner Umgebung zustimme.

Ich habe einige Zeit allein gelebt und dabei mehr über mich gelernt als in vielen Jahren Beziehung. Das meiste davon hat mir gefallen, aber nicht alles. Ich habe Stärken und Schwächen in mir gefunden, die mich erstaunt haben. Einiges davon hat sich geändert, seit ich Frau und Kind habe. Einige Stärken sind verschwunden, einige Schwächen wurden ausgeglichen.

Ich ziehe mich seit Monaten immer wieder für ein paar Tage zum Schreiben zurück. In eine Wohnung, in der ich allein bin, in einer Stadt, in der ich nicht lebe. Ohne Internet, ohne Fernseher, ohne Radion, einmal sogar ohne Handy. Bei mir sind der Laptop, Musik und die Textverarbeitung.

Während dieser Zeit der Einsamkeit verbringe ich täglich rund 10-14 Stunden damit, in die Tasten zu hämmern, auf den Bildschirm oder ins Leere zu starren. Ganz alleine. So viel wie in dieser Zeit bringe ich beim Schreiben sonst nicht weiter, das liegt in der Natur der Sache.

Die Kombination aus Einsamkeit und Schreibarbeit hat dieselbe Wirkung wie das Leben alleine. Ich entdecke Bereiche in mir, die ich nicht kannte oder nicht bewusst wahrgenommen habe. Ich verstehe einiges besser. Und wie immer bei solchen Dingen, nicht alles davon ist angenehm, einiges ist irritierend. Aber auch das Unangenehme hat einen Vorteil – ich weiß darüber Bescheid. Das ist zumindest ein Anfang und gibt mir einen Spielraum, in dem ich versuchen kann … komm auf die dunkle Seite der … ach, Quatsch.

Yoga, Meditation, eine Schweigewoche im Kloster, alleine leben, oder allein schreiben gehen. Egal wie, Mensch braucht immer wieder Zeit mit sich, um das Ich zu ergründen. Manchmal reichen Stunden, dann wieder braucht man Tage, Wochen, Monate. Selbst wenn es Jahre dauert, das ergründen des Ich ist eine wichtige und notwendige Sache.

Bin ich glücklich? Lebe ich in der richtigen Beziehung? Habe ich die richtige Position in meiner Beziehung? Klammere ich mich rein aus Angst vor dem Alleinsein an meinen Partner, obwohl ich weiß, er tut mir nicht gut? Werde ich dabei gestärkt, oder zielt mein Partner auf meine Schwächen, um mich zu dominieren – aus seiner eigenen Schwäche heraus, um sich selbst besser zu fühlen?

Habe ich den Beruf, der mich glücklich macht? Weiß ich, was ich mit meinem Leben anfangen will? Wie gut kann ich es verkraften, wenn meine Wünsche nicht aufgehen? Was erwarte ich mir eigentlich von einer Beziehung? Habe ich wenigstens ein, zwei Freunde, denen ich mein Ich bedingungslos anvertrauen kann? Kann ich meinen Gefühlen Ausdruck verleihen? Weiß ich, wie man konstruktiv streitet? Warum bin ich so verletzlich?

Wenn ich all das weiß, dann geht es mir besser, dann kann ich eine bessere Beziehung führen. Lebe ich allein, dann werde ich instinktiv den Moment finden, ab dem ich bereit bin, mich (wieder) auf ein Leben zu zweit oder mehr einzulassen (und auf die dafür notwendigen Kompromisse). Ein Leben allein ist keine Sache, vor der man sich fürchten braucht.

Und so weiter, und so weiter. Klingt wie eine Sammlung von Klischees – ist es auch. Das Blöde daran ist bloß, diese Klischees (zu finden in vielen handelsüblichen Psychologiebüchern, Beziehungsratgebern, Selbstfindungsbüchern) sind ein beträchtlicher Teil dessen, die das Ich ausmachen und bestimmen. Klischees gibt es nicht ohne Grund, es steckt in allen ein wahrer Kern.

Politik verdirbt den Charakter, Konzerne beherrschen die Welt, die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer, wir verlieren immer mehr Rechte, wir werden immer enger überwacht. Klischees. Wahrheiten. Untrennbar miteinander verbunden. Sogar dieser Blogeintrag ist ein Klischee.

Wo war ich? Ach ja. Also, Einsamkeit und Schreiben, zwei Werkzeuge, das Selbst zu ergründen. Das beantwortet auch die Frage von Millionen Lesern an tausende Autoren, wie viel von den Schreibern in ihren Texten steckt. Ganz einfach: Manchmal das Unterbewusstsein, manchmal Vorlieben und Abneigungen, manchmal gar nichts, weil der Text pure Berechnung ist, aber selbst das ist Teil des Schreibers, seines Ich. Ob er es ergründet hat oder nicht.

Hm, worauf wollte ich hinaus? Ah ja, auf die Wichtigkeit der Selbsterkenntnis. Ob mir gefällt, was ich in mir finde oder nicht spielt keine Rolle, ich muss es wissen und damit umgehen können, damit ins Reine kommen, mich selbst akzeptieren wie ich bin. Nur dann wird es mir gelingen, ein zufriedenes Leben zu führen. Und das ist, so egoistisch es klingen mag, das um und auf. Ich muss mit meinem Leben zufrieden sein. Egal, in welcher Form ich es führe. Denn ich habe nur dieses eine Leben, nach dem Tod ist es vorbei.

Schnitzler, die alte Schweinebacke, hatte mit seinem weitem Land Recht. Das Ich, die Seele, das ist ein weites Land. Und wenn ich nicht weiß, wo sich was darin befindet, verirre ich mich. Manche Orte suche ich öfter auf, andere selten. Finde ich blinde Flecken, versuche ich zu ergründen, was darin verborgen liegt, welche Wünsche, welche Sehnsüchte sich dort verbergen. Mag mir nicht gleich gelingen, aber ich weiß, die Flecken sind da. Vielleicht habe ich noch gar nicht alle Flecken gefunden, das macht nichts, Hauptsache ich weiß, sie sind da und ich werde sie, irgendwann, finden.

Ich ziehe mich zum Schreiben in die Einsamkeit zurück. Ich finde Dinge in mir. Eine Erkenntnis, ein Selbstverständnis, manchmal auch nur Unsinn. Aber ich bin froh darüber. Es hilft mir, mich selbst zu verstehen, denn das ist schwierig. Vieles von dem, was ich finde, gefällt mir. Aber nicht alles.

Ich habe den Eindruck, etwas Wirrnis verbreitet zu haben. Ich bin mir nicht sicher, worauf ich hinauswollte. Nach sortierten Gedanken sieht das Ganze nicht aus.

Ehrlich, warum habe ich diesen Blogeintrag jetzt geschrieben?

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