Samstag, 6. Juli 2013

Vom Lesen

Interessant. Im Horror-Forum gibt es einen kleinen Thread zu -> diesem Blogeintrag von mir. Darin sieht mich einer einer der Diskussionsteilnehmer als Festa-Fanboy. Auf die Idee wäre ich gar nicht gekommen. Ich weiß zwar nicht wirklich, was ich darauf sagen soll – und eigentlich kann mir das auch ziemlich egal sein, es lebe die Meinungsfreiheit – aber irgendwie habe ich Lust, darauf zu antworten. Mal schauen, ich habe nicht die geringste Idee, was ich schreiben soll, aber ich fange mal an und sehe dann, was dabei rauskommt.


Der erste Satz ist einfach: Ich bin kein Fanboy. Mal abgesehen davon, dass das Wort an sich in meinen Augen ziemlich dämlich ist und mir nur passend erscheint, wenn man damit jemanden betitelt, der noch in den Teenjahren steckt – also unter zwanzig Jahre alt ist (ein Boy bin ich auch schon laaange nicht mehr, vielleicht kindisch, aber das ist was anderes), impliziert es auch einen gewissen Fanatismus und das mag ich schon gar nicht.


Fan ist ein Wort, mit dem ich ein Problem habe, obwohl gewisse Vorlieben meinerseits durchaus auch als Fan-Verhalten bezeichnet werden können. Ein besseres Wort ist mir allerdings auch noch nicht eingefallen. Erstaunlich, wie manche ganz alltäglichen Begriffe zu einem Reizwort ausarten können. Na gut, Wortklauberei, ich weiß ;-)


Es gibt einige Bücher von Festa, die ich nicht so toll finde und das schreibe ich dann auch in der einen oder anderen Rezension. Ich habe jetzt keine Lust, solche Rezensionen rauszusuchen, das lenkt mich nur ab. Was ich nicht mache, ist ein Buch generell in den Kübel zu treten, weil ich die Arbeit des Autors dahinter sehe, die einfach nicht aufgegangen ist oder den wirtschaftlichen Druck, der ihn dazu gebracht hat, einen eher unterdurchschnittlichen Roman zu produzieren, den Druck des Verlegers, der einen Aufreger und Breitentauglichkeit zugleich wollte und so weiter, und so weiter.


Ich halte im übrigen, um auf eine Aussage in diesem Thread einzugehen, Das Schwein von Edward Lee nicht für eine schlecht geschriebene Wichsvorlage. Es war nicht sonderlich gut übersetzt, aber das Problem hat nichts mit dem Inhalt zu tun, den ich auch als bitterböse, höhnische, makabre, geschmacklose Satire sehe. In vielen Büchern von Lee, die noch nicht übersetzt sind, schwingt viel Zynismus und extrem galliger Humor mit, den Lee in totaler Geschmacklosigkeit verpackt. Das ist sein Stil und einfach seine Art, Dinge zum Thema zu machen, die ihn gerade bewegen.


Was ich an Festa konkret schätze, ist schnell gesagt: Er hat von Anfang an Bücher veröffentlicht, die mich angesprochen haben. Nicht immer und nicht alle, aber die Mehrzahl. Wie ich es schon mal geschildert habe – in eben jenem vom Horror-Forum aufgegriffenen Beitrag, siehe den Link oben – hat sein Programm auch ziemlich schnell Anklang beim Publikum gefunden.



Ich mag diese »Tabubrecher« Romane einfach, weil sie ungeniert sind, radikal und drastisch. Das sind Dinge, die mich schon mein ganzes Leben lang bei der Auswahl meiner Lektüre beeinflussen. Auf seine Art war das früher z.B. Marc Behm, ein französischer Thrillerautor, den man heute als eher sehr sanft sehen würde. David Goodis gehörte auf seine Art natürlich ebenso dazu wie der König der Tristesse, Robin Cook. Und noch viele andere.



Als ich Friedhof der Kuscheltiere von Stephen King gelesen habe, gleich in den ersten Tagen seines Erscheinens, da war ich bedeutend jünger und habe mich beim Lesen halb angeschissen vor Angst. Und hatte danach eine Riesenfreude, dass es ein Buch geschafft hatte, mich derart aufzuwühlen. Ich bin begeistert in der Wohnung herumgerast und habe versucht, meine Freude daran meinen Eltern kundzutun, denen leider jeglicher Bezug zu Horrorgeschichten fehlte.
Das erste Bucher des Blutes von Clive Barker? Heilige Scheiße, das ist mir eingefahren. Diese wüste Mischung aus Grausen und Erotik. Ich habe dann alle Bände verschlungen. Dass es Bücher gab, die solch ungeheuerliche Dinge erzählten, das hat mich in den Bann geschlagen und dieser Bann ist bis heute nicht gewichen.



Stephen King heute … nun ja, er ist sanfter und älter geworden, ich bin älter geworden, ich liebe ihn immer noch. Ich liebe auch Clive Barker noch. Aber der rabiate Kick, der kommt von Edward Lee. Der kommt von Bryan Smith, von Wrath James White und wie sie alle heißen. Brian Keene ist für mich ein großartiger Erzähler mit guten Geschichten und Charakteren, mit denen man sich identifizieren kann. Keene ist noch dazu spannend und geradezu altmodisch in seiner klassischen Erzählweise. Ich mag dieses Urgestein sehr gerne - es lebe die Altersgleichheit ;-).



Wenn also all diese Autoren, die mir einen Kick verpassen, bei Festa erscheinen, tja, dann wird es wohl einen Grund haben, dass ich so viele Bücher des Verlags lese. Und wenn ich – auch von meiner beruflichen Vergangenheit beeinflusst – sehe, wie sich dieser Verleger ins Zeug legt, um würdige Werkausgaben von einem Robert E. Howard oder einem Clark Ashton Smith zu fabrizieren, dann bewundere ich diese Arbeit einfach, die sich – keine Ahnung, ob das stimmt – vermutlich gerade mal als Nullsummenspiel ausgeht. Vielleicht wirft das eBook die nötige Spanne ab, was weiß ich.



Festa hat es anders auch probiert. Mit Autoren wie Thomas Ligotti. Mit Horror von Dan Simmons [nicht die drei Joe Kurtz Thriller - übrigens auch steile Bücher - ätsch ;-)], mit Science Fiction, mit wirklich bemerkenswerten, ungewöhnlichen, teils sehr literarischen Titeln. Mit S. P. Somtow. Alles gute Geschichtenerzähler.

Was hat es Lob für seine Auswahl gegeben und was ist unterm Strich dabei rausgekommen? Ein finanzieller Genickbruch, weil die Käufer nicht mitgezogen sind. Jetzt hat seine Schiene gefunden, sein Alleinstellungsmerkmal. Das sind die radikalen Bücher, die sehr schön aufgemacht sind, wertig, und mehr Klasse haben als z.B. entsprechende Heyne-Cover. Das funktioniert für ihn, das muss für ihn funktionieren, weil er davon abhängig ist, das funktioniert für mich als Leser. Seine Experimente haben bedauerlicherweise nur zum Teil funktioniert, warum also sollte er jetzt seine Einzigartigkeit aufgeben?



Kurzer Einschub: Wer sich noch an die unsäglich gekürzten Taschenbücher aus dem Pabel Verlag erinnert, die blauen Fantasy-Titel, die lila-rote Vampir-Horror-Reihe, der weiß, wie enorm der Qualitätssprung nach oben ist bei z.B. Robert E. Howard. Mir hat einmal ein ehemaliger Übersetzer des Pabel-Verlags gesagt, Vorgabe jeder Übersetzung waren rund 120 Seiten Umfang. Ganz egal, wie dick das Original war. Tja. Das hat auch Heyne in seinen frühen Jahren gemacht [man vergleiche die Triffids Übersetzung von 1969 mit der vom letzten Jahr], das war bei den Romanheften sogar noch schlimmer, die alles auf rund 60 Seiten runtergekürzt haben.



Ich mag diese durchgeknallten, rabiaten Bücher einfach. Ich mag bizarre, versponnene Werke – Carlton Mellick III ist in meinen Augen genial. Nicht alle Titel sind top, eh klar, aber für mich stehen letzendlich der Unterhaltungswert und die Ideen an erster Stelle. Perfekter Stil – ja toll, und? Den hat Thomas Mann. Öh, gähn.



Natürlich mag ich nicht nur diese rabiaten Titel. Ich mag auch die weniger eingeweidewerfenden Horror-Titel sehr gern. Ich mag auch Thriller und Non-Genre Bücher, die das gewisse Etwas haben. So sehe ich Hundert Jahre Einsamkeit als Meisterwerk an, oder Der Name der Rose, oder einige Werke von T.C.Boyle [America, World's End, Willkommen in Wellville u.a.], von Paul Auster, Christopher Moore … von den Fantasy u. Science Fiction Autoren, die ich schätze, ganz zu schweigen. Neal Stephenson? Ich finde ihn großartig. Alastair Reynolds? Toll. William Gibson? Super. Joe R. Lansdale, herrlich. Brandon Sanderson? Episch. George R. R. Martin? Meisterhaft.
Das kann ich noch eine Weile so weitermachen, weil ich episch, bombastische, clevere, witzige, böse, usw., usw., Geschichtenerzähler einfach liebe.



Aber wenn mir zwischendurch nach schnellem, geilen Schweinekram ist, dann werde ich bei Festa bestens bedient. Ich liebe schnellen, geilen Schweinekram. Der geile Schweinekram hat micht mein ganzes Leben lang entspannt. George R. R. Martin ist ein Meistererzähler - aber er braucht Ausdauer, Konzentration und viel Zeit [zumindest in Englisch ist das so]. Schneller Kick ist das nicht. George R. R.Martin ist episches wow. Schneller Kick ist Brett McBean. Schneller Kick ist Bryan Smith.



Mir haben diese Bücher dabei geholfen, Stress, Ärger, Frust, Zorn und sonstige Unbillen, die einem Menschen im Laufe eines beschissenen Tages begegnen können, abzubauen und in die richige Perspektive zu rücken – in die Bedeutungslosigkeit am Ende des Tages.



Die Horror-Literatur war – um jetzt einen etwas überspannten Begriff zu benutzen – für mich stets eine Katharsis, eine Reinigung meines Ich von den destruktiven Emotionen eines Tages. Oder, an guten Tagen, ein kreativ erbauliches Vergnügen. Das sind Eigenschaften, die man an Büchern nicht hoch genug schätzen kann und darum lese ich sie bis heute mit großer Freude.



Was dem einen sein Karl May ist, ist dem anderen sein Edward Lee. Ein Ventil, eine Ersatzbefriedigung, Spannung im langweiligen Trott des Alltags, was auch immer.



Jetzt ist genau das passiert, was anzunehmen war. Ich habe mich verzettelt. Dabei wollte ich eigentlich nur auf den Fan-Boy Ansager reagieren, der eigentlich sogar verständlich sein könnte. Schließlich sind der Betreffende und ich uns unbekannt und was weiß er schon, wie ich ticke, oder warum ich was lese.



Apropos Brian Keene: wer EineVersammlung von Krähen genauer inspiziert, wird als Übersetzer Michael Krug entdecken. Genau jenen Michael Krug, der Keene einst als Erster* bei Otherworld rausgebracht hat (Im Reich der Siqqusim), der Brian Keene dann an Heyne verloren hat, wo man offensichtlich nichts mit ihm anzufangen wusste und der jetzt bei Festa erscheint. Kreislauf des Lebens ;-). Das ist Michael Krug übrigens auch bei Scott Sigler passiert – auch der wurde von Heyne aufgekauft, genauso wie Frank Festa mehr oder weniger fast das Gesamtwerk von Richard Laymon an Heyne verloren hat.



Auch darum mag ich Verlage wie mkrug oder Festa: Weil sie sich die Mühe machen, Neues zu entdecken. Das ihnen dann oft genug weggekauft wird. Mit der Finanzkraft von Verlagen wie Heyne können die dann einfach nicht mit. Aber das ist das Plus, das die Kleinverlage haben. Sie sind flexibler und, im Falle von Festa oder Krug, besser im Auffinden von neuen, vielversprechenden Autoren. (auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, weil auch das in dem betroffenen Blogeintrag steht – das sind nur zwei von vielen Kleinverlagen, aber zu denen habe ich einfach einen langjährigen Bezug.)



Festa zaubert einen interessanten Autor nach dem anderen aus dem Hut (und da kommt noch ein großer Name auf uns zu ;-)). Michael Krug hat zwar Brian Keene nicht mehr in seinem Verlag, aber er wird sicher das eine oder andere nette Büchlein entdecken – was ihm, meinen Geschmack betreffend, mit dem Zombie-Zyklus von David Moody, oder zuletzt mit  Feuerdämon (wüste Hexen-Action) und Ex-Helden (merkwürdige Superhelden gegen Zombies) ohnehin schon gelungen ist.



So, worum ging es eigentlich zu Beginn? ;-)


Update 10.07.2013: Michael Preissl hat mich - danke übrigens - darauf hingewiesen, dass es bei Eloy Edictions ebenfalls einen Brian Keene gibt - einen Erzählband. Dieses Büchlein, das mir bis zu diesem Hinweis vollkommen unbekannt war, ist allem Anschein nach wenige Monate vor dem Siqqusim Band von Michael Krug erschienen.
Die Eloy Edictions Site wird übrigens bei mir bedauerlicherweise von Google mit einer Malware-Warnung geblockt, deshalb verlinke ich sicherheitshalber nicht darauf. Der Screenshot dieser Warnung:

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