Gesehen in englischer Originalfassung, in HFR, in 3D. Also die volle Dröhnung.
HFR - wem dieser Begriff noch nicht geläufig ist, ist das Kürzel für High Frame Rate und eine technische Angelegenheit: Die Bildwiederholfrequenz (was für ein Wort!) bei Filmen, also das Tempo des Abspielens, beträgt als Standard 24 Bilder pro Sekunde (24 fps). HFR bedeutet höheres Tempo.
Der Hobbit ist der erste Film überhaupt, der auf diese Art gedreht wurde und ins Kino gekommen ist. Vorteil der neuen Technik sind eine höhere Bildschärfe und weniger Bewegungsunschärfe (motion blur). Nachteil ist der Verlust des "klassischen Filmlook", da die Bilder klarer und schärfer (Soap-Opera-Optik) sind. Jackson hat als Frequenz 48 fps gewählt, also verdoppelt.
-- Meine Eindrücke bezüglich HFR: Diese viel kritisierte neue Optik für einen Kinofilm ist nur bedingt ein Thema. Der Effekt macht sich vielleicht eine, zwei Minuten bemerkbar, dann ist er vergessen, weil man in einem farbenprächtigen Rausch wunderschöner Bilder versinkt, die mit phantastischen Details aufwarten können. Besonders bei Nahaufnahmen ist der Grad der Details immer wieder beeindruckend.
-- Meine Eindrücke bezüglich 3D: Meisterhaft und sehr dezent in Szene gesetzt, ähnlich wie bei Avatar. Jackson hat darauf verzeichtet, Dinge in Richtung Kamera zu werfen und damit ins Publikum (meistens), sondern hat sehr oft die Tiefe der Bilder erhöht. Der Film würde auch ohne 3D umwerfend aussehen, aber es ist ein überaus netter Bonus.
-- Meine Eindrücke allgemein: Ich sehe eigentlich keinen Grund, sich darüber zu beschweren. Mag die erste Hälfte des Films etwas langatmig sein, so geht es dann in der zweiten Hälfte permanent rund. Der Film gewinnt an Tempo und das perfektes Zusammenspiel zwischen den Bildern und dem kongenialen Soundtrack von Howard Shore packen und lassen nicht mehr los. Jackson greift zwar hin und wieder in den theatralischen Kitschtopf, aber das sei ihm im Rausch der Inszenierung verziehen.
Er bewegt wie gewohnt die Kamera mit hoher Geschwindigkeit und Eleganz durch die Kulissen. Was am Computer entstanden ist und was vor Ort gefilmt, ist so gut wie nicht mehr zu unterscheiden. Selbst wenn ich weiß, diese und jene Szene MUSS am Computer entstanden sein, erkennbar ist es kaum. Der Auftritt von Galadriel ist atemberaubend inszeniert - aber ja, Cate Blanchett ist sowieso atemberaubend. Martin Freeman ist ein großartiger Bilbo, generell ist das Ensemble ausgezeichnet. Hut ab, perfektes Casting.
Der Hobbit ist ein sehr, sehr guter Fantasyfilm mit Momenten von bizarrem und gelegentlich kindischen Humor und jeder Menge Action, gewaltigen Schlachten, ruhigen Augenblicken und einem grandiosen Andy Serkis als Gollum (in diesen Szenen zeigt das HFR, was es an Detailreichtum liefern kann).
Ob Jackson sich jetzt werkgetreu an die Vorlage von Tolkien gehalten oder daran herumgewerkt hat, ist mir persönlich herzlich egal. Film ist Film, Buch ist Buch. Ich erwarte von Jackson Opulenz und Bombast und genau das liefert der Mann hier ab. Puritanismus zu fordern oder zu erwarten ist da absolut verkehrt.
Ich mag diese Verbissenheit, mit der Tolkien zeitweise gegen irgendwelche Adaptionen oder Kritik verteidigt wird, überhaupt nicht. Die Bücher sind Klassiker und sie waren genreprägend, aber es handelt sich "nur" um Romane, zu denen jeder Leser eigene Bilder im Kopf hat - und Peter Jackson hat sich eben seinen Teil dazu gedacht und in Bilder umgesetzt. Wem diese Interpretation zu wenig puristisch ist, der kann sich im Vergleich die auf youtube zu bewundernde russische Verfilmung des Hobbit von 1985 ansehen.
Peter Jacksons Hobbit Film ist schlicht ein phantastischer Bombast. Kann man mögen, muss niemand mögen. Mir hat der Film jedenfalls großartig gefallen. Die Vergleiche mit der Herr der Ringe Trilogie sind in meinen Augen unsinnig, schon allein wegen der Unterschiede im Ton der literarischen Vorlagen.
HFR ist eine tolle Sache, ob es sich durchsetzt, wird sich weisen. James Cameron möchte die kommenden Avatar Filme so drehen - bei ihm ist derzeit von sogar noch höherer Bildrate die Rede. HFR wird sicher nicht bei jedem Film Sinn machen, aber Spektakel wie Der Hobbit oder die Avatar Filme sind sicher gute Spielwiesen für diese Technik.
Mein Eindruck bei der gestrigen Vorstellung jedenfalls (nahezu ausverkauft) war der, dass es dem Publikum herzlich egal ist, ob der Film jetzt den "Filmlook" hat oder nicht. Die Leute sind mit dem Film mitgegangen und hatten ihren Spaß daran - wir reden vom Publikum einer 20:15 Uhr Vorstellung und einem 170 Minuten langen Film.
Ich bin jedenfalls glücklich mit dem, was ich gesehen habe und freue mich auf die zwei nachfolgenden Filme.
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